Natterheide ist ein typisches altmärkisches Straßendorf aus großen, mittleren und kleinen Höfen gut zehn Kilometer südwestlich von Osterburg. Als ehemaliger Ortsteil von Flessau ist das Dorf seit Juli 2009 Teil der Einheitsgemeinde Osterburg. Der im Ursprung deutsche Ortsname bezeichnet vermutlich eine nasse, waldlose Fläche, auf welcher das Dorf im Mittelalter angelegt wurde. Heute ist Natterheide im Süden von Wäldern, auf den anderen Seiten von Wiesen und Feldern umgeben. Im Süden und Osten bildet der Markgraben die historische Abgrenzung zu den Nachbargemeinden.
Spätestens seit dem Hochmittelalter gehörten die umfangreichsten feudalen Berechtigungen im Dorf den Besitzern des Gutes Krumke. Heute kündet von der mittelalterlichen Ortsgeschichte nur noch die im Ursprung romanische Feldsteinkirche. Sie wurde zunächst als dreiteiliger Bau errichtet, später jedoch mehrfach umgebaut. So wurde vermutlich bereits im 18. Jhdt. der ursprünglich eingezogene Chor mit geradem Schluss auf Schiffsbreite erweitert. In den 1870er Jahren sind die polygonale Apsis z. T. in Backstein und unter Benutzung alten Feldsteinmaterials neu errichtet und das große Westportal in den ansonsten noch recht ursprünglichen romanischen Westquerturm eingebrochen worden. Die Fenster erhielten damals Backsteingewände. Auf der Nordseite des Schiffs dicht neben dem Turm befindet sich dagegen noch das vermauerte romanische Portal. Von der im ausgehenden 19. Jhdt. erneuerten Einrichtung sind heute nur noch der hölzerne Altar, die Westempore und ein nicht mehr bespielbares Harmonium erhalten. Das einzige Ausstattungsstück aus der Zeit vor dem Umbau des 19. Jhdt. ist ein schlichter barocker Opferstock.
Beginn des 19. Jhdt. lebten in Natterheide 109 Menschen, die wirtschaftliche und soziale Struktur entsprach noch ganz den spätfeudalen Verhältnissen. So gab es je fünf Ganz- und Halbbauernhöfe sowie vier Kossatenhöfe. Dazu kamen fünf zur Miete wohnende Einlieger. An Handwerkern war lediglich ein Leineweber im Dorf. In der ersten Hälfte des 19. Jhdt. erfolgte dann wie in fast allen altmärkischen und preußischen Dörfern auch in Natterheide die Separation der zuvor noch dem Flurzwang unterworfenen bäuerlichen Ländereien und die Ablösung der feudalen Berechtigungen - in erster Linie der Familie von Kahlden auf Krumke. Damit wurde auch der freie Grundstücksverkehr einschließlich Besitzteilungen und -vergrößerungen möglich. Diese grundlegenden Reformen führten zusammen mit weiteren Faktoren seit der Mitte des 19. Jhdt. zu einem Aufschwung der Landwirtschaft. Begleiterscheinung war aber auch eine zunehmende soziale Differenzierung. Gleichzeitig kam es im 19. Jhdt. zu einem recht bedeutenden Bevölkerungswachstum. Diese Entwicklung lässt sich auch in Natterheide nachweisen: Bereits bis 1840 hatte sich die Einwohnerzahl auf 161 erhöht - eine Steigerung um fast 48 Prozent. Bis 1871 stieg sie weiter auf 173 und damit in 70 Jahren um beinahe 60 Prozent. In den folgenden Jahrzehnten blieb diese Zahl dann bis etwa 1930 annähernd konstant. Die Zahl der Wohnhäuser erhöhte sich von 22 (1840) auf 32 im Jahre 1895. Der Zuwachs entstand - wie in den meisten Dörfern der Gegend - durch die Neuschaffung kleinerer Grundstücke, die oftmals eine ausschließliche Ernährung von der Landwirtschaft nicht mehr erlaubten.
Gleichzeitig gab es großbäuerliche Betriebe, die zeitweise außerordentlich prosperierten. So umfasste das Gut von Karl Müller in Natterheide in den ersten Jahrzehnten des 20. Jhdt. 120 Hektar, außerdem bewirtschaftete die Familie noch etwa 46 ha in Groß Rossau und hatte kurzzeitig auch das Orpensdorfer Gut in Pacht. Doch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten jener Zeit machten auch vor diesem vermeintlich starken Hof nicht Halt und führten sogar dazu, dass sich die Besitzer (Vater und Sohn) 1927 das Leben nahmen.
Mit dem Anstieg der Einwohnerzahl kam es auch in Natterheide zur Gründung mehrerer Vereine, z. B. einem Radfahrverein (1909). Sehr aktiv waren auch der Reitverein, der Sportverein und der Kriegerverein, welche zahlreiche Veranstaltungen organisierten. So waren z. B. die Natterheider Zeltvergnügen weit über die Kreisgrenzen hinaus bekannt. Ausdruck der wachsenden Einwohnerschaft waren auch die Gründung einer eigenen Feuerwehr und der Bau einer für damalige Verhältnisse sehr großzügigen neuen Schule.
Der Zweite Weltkrieg und die politischen Umwälzungen nach Kriegsende stellten auch für Natterheide einen bedeutenden Einschnitt in der Entwicklung des Dorfes dar. Aus dem kleinen Ort waren zwölf Gefallene zu beklagen. Gleichzeitig galt es, neben den schon in den letzten Kriegsjahren aufgenommenen Evakuierten eine große Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen aufzunehmen. So stieg auch die Einwohnerzahl in Natterheide von 158 i. J. 1936 auf 269 im Spätherbst 1946, d. h. um mehr als 70 Prozent. Allerdings blieben nicht alle im Dorf, um 1970 lag die Einwohnerzahl nahezu wieder auf dem Vorkriegsstand. Von Enteignungen im Rahmen der im Herbst 1945 vollzogenen Bodenreform blieb Natterheide verschont - das ehemals große Müllersche Gut war bereits früher geteilt worden und Enteignungen aktiver Nationalsozialisten fanden in Natterheide nicht statt. Allerdings erhielten ein Neusiedler und zwei landarme Haushalte Bodenzuteilungen aus der Enteignung des Rönnebecker Gutes. Aus dem Abbruchmaterial des dortigen Schlosses entstand auch in Natterheide ein Siedlerhaus am Ortsausgang nach Späningen.
Die 1950er Jahre waren in Natterheide wie allerorts durch die staatlich forcierten Bestrebungen zur Gründung landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften geprägt. Recht spät - nämlich erst zu Beginn des Jahres 1958 vereinigten sich zunächst drei Höfe zur LPG "Thomas Müntzer". Das war eine Genossenschaft vom TYP III, bei welchem neben dem Boden auch die Gebäude sowie das gesamte lebende und tote landwirtschaftliche Inventar eingebracht wurden. Im sogen. „Sozialistischen Frühling“ 1960 traten weitere 16 Bauernwirtschaften dieser LPG bei, vier weitere gründeten die LPG "Grüne Heide" vom TYP I. Bei diesem Typ wurde nur der Boden gemeinschaftlich bewirtschaftet. „Republikflüchtige“ größere Bauern gab es in Natterheide im Unterschied zu vielen anderen Dörfern nicht, einige andere Familien verließen jedoch das Dorf in Richtung Westen. Die lang getrennt wirtschaftenden Genossenschaften schlossen sich schließlich 1970/72 der LPG Flessau an, nachdem sie in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre bereits mit jenen von Schmersau, Orpensdorf und Gladigau eine Kooperationsgemeinschaft gebildet hatten. Mit der Ausweitung der Kooperationsbeziehungen in den 1970/80er Jahren hatte die Flessauer Kooperation schließlich etwa 6.000 Hektar in 13 Dörfern in Bewirtschaftung. Die Natterheider Genossenschaftsbauern arbeiteten in der LPG Pflanzenproduktion Flessau, der LPG Milchproduktion Flessau oder der LPG Schweineproduktion Ballerstedt. Viele Fortschritte in der Verbesserung der Infrastruktur und der Lebensbedingungen im Dorf konnten nur mit Unterstützung der Genossenschaften sowie erheblichen Eigenleistungen der Dorfgemeinschaft verwirklicht werden. So wurden bereits in den 1950er Jahren ein Erntekindergarten und eine Gemeindebibliothek, in den 1960er Jahren ein Dauerkindergarten eingerichtet. Durch Eigeninitiative der Dorfbewohner bekam Natterheide bereits Ende der 1960er Jahre eine Kanalisation. 1974, mit der Eingemeindung nach Flessau wurde das Dorf schließlich auch an die zentrale Trinkwasserversorgung angeschlossen. Die eigene Schule ging allerdings 1965 endgültig verloren, als die Natterheider Kinder nach Flessau umgeschult wurden. Die Schüler ab Klasse 5 waren bereits seit 1950 in Späningen unterrichtet worden. Als nach Fertigstellung des Schulneubaus in Flessau 1969 auch der Hort dorthin umzog, wurde im ehemaligen Schulgebäude eine Konsumverkaufsstelle eingerichtet, welche bis 1991 existierte.
Das Ortsbild von Natterheide wurde während der DDR-Zeit im Gegensatz zu manch anderem Dorf weniger in Mitleidenschaft gezogen. Die Neubauten der LPG - ein Rinder- und ein Schweinestall - wurden auf der Ostseite des Dorfs hinter den Grundstücken errichtet, wo sie nicht so stark in Erscheinung traten. Abbrüche historischer Substanz hielten sich in Grenzen.
Bereits 1951 hatte Natterheide seine kommunale Selbständigkeit zum ersten Mal verloren - es wurde ein Ortsteil von Späningen im damaligen Kreis Kalbe (Milde). Von 1957 bis zum Beitritt zum Gemeindeverband Flessau Anfang 1974 war das Dorf dann nochmals für 17 Jahre eigenständig. 1970 hatte Natterheide 165 Einwohner und lag damit in etwa auf dem Vorkriegsstand. In den folgenden Jahrzehnten ging die Einwohnerzahl weiter relativ kontinuierlich zurück (1983: 119).
Die 1990 an der Gabelung der Dorfstraße nach Späningen und Wollenrade neu gepflanzte Friedenseiche - mittlerweile die dritte seit 1870/71 - war ein Symbol des Neubeginns nach 40 Jahren DDR. Die politische Wende brachte zunächst jedoch wie überall auch für Natterheide tiefgreifende Einschnitte im Alltagsleben mit sich. Zahlreiche Arbeitsplätze gingen verloren, die Einwohnerzahl sank erheblich. - Hatten 1980 noch 30 Natterheider in der Landwirtschaft gearbeitet, so sind es inzwischen nur noch fünf. Landwirtschaftsbetriebe gibt es im Ort nicht mehr, bis auf eine Rinderhaltung, deren Besitzer in einem Nachbarort ansässig ist. Die Flächen sind verpachtet - zu einem großen Teil an die Agrargenossenschaften in Flessau und Ballerstedt. Von den Grundeigentümern leben nur noch neun im Ort. An Gewerbebetrieben existiert eine Tischlerei.
Einrichtungen wie die Gemeindebibliothek, die Poststelle und der Konsum wurden bereits zu Beginn der 1990er Jahre geschlossen. Und seit 1995 gibt es auch die Gaststätte im Ort nicht mehr, welche 120 Jahre ein beliebter Treffpunkt der Natterheider war und immer auch für Versammlungen und Veranstaltungen genutzt wurde. Die Einwohnerzahl sank von 126 i. J. 1995 auf etwa 90 (2015). Einige ortsbildprägende historische Gebäude sind seit der Wende dem Abbruch anheimgefallen - eine Folge fehlender Nutzung als Resultat völlig veränderter Verhältnisse.
Dennoch lässt es sich auch heute gut in Natterheide leben. Davon zeugen die zahlreichen mit viel Eigeninitiative renovierten Wohngebäude im Dorf. Die ehemalige Kreisstadt Osterburg wie auch die Kleinstadt Bismark sind schnell erreichbar. Hauptinitiator des Dorflebens ist wie in den meisten Dörfern die bereits 1892 gegründete Freiwillige Feuerwehr. 1995 konnte sie ein neues Feuerwehrgebäude beziehen. Der Gemeinschaftsraum wie auch der zugehörige Grillplatz werden gern für Feiern genutzt, z. B. für das alljährliche Himmelfahrtsfest, welches an eine alte Tradition im Dorf anknüpft. Auf dem Gelände befindet sich auch ein großzügiger Spielplatz.
Text: Corrie Leitz (Historikerin)
Diese Ortsbeschreibung wurde mit freundlicher Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt im Rahmen des Tourismusprojektes 2015-2017 erstellt.
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