In Felder und Wiesen gebettet liegt Orpensdorf etwa elf Kilometer westlich von Osterburg. Das Dörfchen gehört das zu den kleinsten Orten der Einheitsgemeinde Osterburg, welcher es seit Juli 2009 angehört. Die wenigen Gehöfte erstrecken sich vor allem auf der südlichen Seite der Dorfstraße, während der nördliche Teil nach wie vor von der Kirche und einigen noch vorhandenen Gebäuden des früheren Gutskomplexes dominiert wird. Durch seine Rokokokirche ist das kleine Dorf überregional bekannt, stellt diese doch nicht nur in der durch ihre romanischen Feldsteinkirchen geprägten Altmark ein ganz besonderes Baudenkmal dar.
Die Orpensdorfer Kirche mit ihrer bis heute unverändert erhaltenen Innenausstattung wurde 1747 nach Plänen des Berliner Baubeamten und Architekten Friedrich Wilhelm Diterichs (1702-1782) errichtet, welcher damals zugleich Gutsherr in Orpensdorf war. Mit einem Hauptraum von achteckigem Grundriss setzte Diterichs in Orpensdorf die aus den Ideen des protestantischen Kirchenbaues abgeleitete Forderung nach einer architektonischen Einheit des Raumes konsequent um und erzielte zugleich durch den Anbau des Turmes auf der Westseite und einer Gruft mit darüber liegender Patronatsloge im Osten die Wirkung einer Langhausanlage. Auf sein architektonisches Gesamtwerk bezogen markiert dieser Bau - zugleich sein letztes Kirchenbauprojekt - Diterichs’ Weg vom Barock zum Rokoko. Ein Epitaph auf der Ostseite weist auf die Baugeschichte der Kirche und die in der Gruft Bestatteten hin - neben Diterichs dessen Gemahlin Anna Katharina Kraatz und deren ersten Ehemann, den Kriegs-, Domänen-, Hof- und Obergerichtsrat Gustav Falcke.
Die Kirche ist heute das einzige unverändert erhaltene Gebäude des Ensembles, welches sie einst mit dem benachbarten Gutskomplex, insbesondere dem barocken Gutshaus, bildete. Letzteres wurde um 1980 abgebrochen, nachdem es zuletzt nur noch als Getreidelager der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft gedient hatte. Östlich der Kirche befinden sich noch einige zum früheren Gutshof gehörende Gebäude. Das Rittergut gehörte noch in der ersten Hälfte des 17. Jhdt. der Familie von Rönnebeck, welche sich nach dem Nachbardorf von Orpensdorf benannte und ihren dortigen Stammsitz bis etwa um 1740 behauptete. Diese Familie hatte bereits im 14. Jhdt. Besitzungen und Einkünfte in Orpensdorf. Ob bereits auch das Gut darunter war, lässt sich nicht sicher feststellen. In der Folgezeit verzeichnete das Gut mehrere Besitzwechsel, bis es unter dem Kriegs-, Domänen-, Hof- und Obergerichtsrat Gustav Falcke (1693-1743), welcher es vermutlich um 1730 erwarb, eine neue Blüte erlebte. Nach dem Tod Falckes heiratete dessen Witwe, Anna Katharina Kraatz (1702-1768), eine Bürgermeistertochter aus Osterburg, den Berliner Baubeamten Friedrich Wilhelm Diterichs. Wenige Jahre später - 1747 - wurde dann mit dem Bau der neuen Kirche das Vermächtnis des verstorbenen Gutsbesitzers Falcke erfüllt. Nach dem Tod seiner Gemahlin vermählte sich Diterichs im Alter von 67 Jahren nochmals mit Catharina Dorothea Hedwig Luise von Barsewisch aus dem Hause Esack-Vielbaum-Scharpenlohe. Durch deren erneute Eheschließung nach Diterichs’s Tod kam das Gut an die Familie von Kleist. An Catharina Dorothea Hedwig Luise von Barsewisch und ihren zweiten Ehemann, den Oberst von Kleist, erinnern noch heute die Inschriften an einer der beiden vor dem Eingang zur Gruft stehenden Sandsteinvasen. In der Folgezeit erlebte das Gut wiederum verschiedene Besitzwechsel, bis es schließlich nach 1872 durch die Magdeburger Eheleute Schmidt, welche auch das Gut im benachbarten Rönnebeck gekauft hatten und später unter dem Namen „von Rönnebeck“ geadelt wurden, erworben wurde. In der ersten Hälfte des 20. Jhdt. war das Gut zumeist verpachtet, bis es zu Beginn der 1940er Jahre durch die aus Magdeburg stammende Familie Salomon erworben wurde.
Die Entwicklung des Dorfes wurde von jeher durch die erhebliche Dominanz des Gutes in engen Grenzen gehalten. Daran änderten auch die Reformen der ersten Hälfte des 19. Jhdt. wenig, welche mit der Separation der zuvor noch dem Flurzwang unterworfenen bäuerlichen Ländereien und Ablösung der feudalen Berechtigungen u. a. erstmals einen freien Grundstücksverkehr einschließlich Besitzteilungen und -vergrößerungen ermöglichten und zusammen mit anderen Faktoren seit der Mitte des 19. Jhdt. zu einem Aufschwung der Landwirtschaft führten. Hatte es um 1800 in Orpensdorf insgesamt sechs bäuerliche Wirtschaften gegeben (zwei Ganz- und einen Halbbauernhof sowie drei Kossatenhöfe), so waren es 1867 nur noch vier Familien, die in Orpensdorf neben dem Gut über landwirtschaftlichen Besitz verfügten. Sie bewirtschafteten knapp 33 Morgen (8,25 ha) steuerpflichtigen Grundbesitz, während der Gutsbetrieb gut 970 Morgen (242,5 ha) umfasste. Zählte die Dorfgemeinde damals 37 Einwohner, so waren es auf dem Gut insgesamt 44. Neben drei Wohngebäuden gab es auf dem Gut zwölf weitere (steuerfreie) Gebäude - ein Hinweis darauf, dass das Gut inzwischen erheblich ausgebaut worden war. Anhand historischen Kartenmaterials lässt sich feststellen, dass das Gut mit der Kirche um 1860 den gesamten Teil nördlich der Dorfstraße ausmachte, während die wenigen bäuerlichen Wirtschaften auf der südlichen Seite lagen.
Der in den benachbarten Dörfern typische Siedlungsausbau mit Schaffung neuer, meist kleinerer Wirtschaften hatte in Orpensdorf bis dahin nicht stattgefunden. Auch hinsichtlich der Einwohnerzahlen lag Orpensdorf im 19. Jhdt. nicht im Trend der allgemeinen Entwicklung. Das bedeutende Bevölkerungswachstum des 19. Jhdt., welches auch in den meisten Nachbargemeinden zu verzeichnen war, blieb hier aus. Die Einwohnerzahl stieg auch in Orpensdorf zeitweise etwas an, war aber insgesamt größeren Schwankungen unterworfen und lag gegen Ende des Jahrhunderts (1885: 65, 1895: 70) in etwa auf dem Niveau von dessen Beginn (1801: 66). Starke Schwankungen der Einwohnerzahl waren auch in der ersten Hälfte des 20. Jhdt. zu verzeichnen. Sie scheinen in erster Linie mit dem Gutsbetrieb zusammen zu hängen (1912: 42, 1930: 58, 1936: 78 Einw.). Das Rittergut Orpensdorf als Teil des von Rönnebeck’schen Gutes umfasste in den ersten Jahrzehnten des 20. Jhdt. 249 Hektar, davon waren 199 Hektar Ackerland und 37 Hektar Wiesen und Weiden. Neben dem Ackerbau spielte die Viehwirtschaft, insbesondere die Schafzucht, aber auch Schweine- und Rinderhaltung eine bedeutende Rolle. Außerdem gab es eine eigene Brennerei.
Der verheerende Krieg und seine unmittelbaren Folgen brachten auch für Orpensdorf einschneidende Veränderungen mit sich, auch wenn das Dorf von militärischen Aktionen verschont blieb. In der Bodenreform vom Herbst 1945 wurde das Gut enteignet. In Orpensdorf und Schmersau, wohin Orpensdorf bereits 1939 eingemeindet worden war und wo ebenfalls ein Hof enteignet wurde, wurden insgesamt 23 Voll- und sechs Kleinsiedlerstellen geschaffen. In Orpensdorf entstanden einige Neubauernhäuser, welche trotz zwischenzeitlicher Umbauten noch heute als solche zu erkennen sind. Eine große Herausforderung stellte außerdem die Unterbringung und Versorgung der zahlreichen Evakuierten, Kriegsflüchtlinge und Vertriebenen dar. Hatten 1936 in Orpensdorf 78 und in Schmersau 183 Menschen gelebt, so waren es im Herbst 1946 insgesamt 422 - ein Anstieg um fast 62 Prozent. Einige der damaligen Flüchtlingsfamilien blieben dauerhaft in Orpensdorf.
Die 1950er Jahre standen auf dem Lande ganz im Zeichen der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft. Im März 1955 wurde die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft gegründet. Diese LPG mit dem Namen „Freundschaft“ war bereits eine Genossenschaft vom Typ III, in welche nicht nur die landwirtschaftlichen Flächen, sondern auch Gebäude sowie das lebende und tote landwirtschaftliche Inventar eingebracht wurden. Unter erheblichem politischem Druck gründeten drei bis dahin noch einzeln wirtschaftende Landwirte im sogen. „Sozialistischen Frühling“ des Jahres 1960 die LPG „Freiheit“. Mit dem Typ I wählten sie dabei das kleinstmögliche „Übel“, denn hierbei wurde nur der Boden gemeinsam bewirtschaftet. 1967 wurden beide Genossenschaften zusammengeschlossen. Nur wenige Jahre später - 1970 - schlossen sich die Orpensdorfer wie auch die Schmersauer LPG mit der von Gladigau zusammen, nachdem man bereits einige Jahre eine sogen. Kooperationsgemeinschaft gebildet hatte.
Solche Kooperationen zwischen benachbarten Genossenschaften wurden in den folgenden Jahrzehnten ausgebaut und vertieft, die einzelnen Genossenschaften spezialisierten sich in deren Rahmen auf Tier- oder Pflanzenproduktion, teils unter Bildung von sogen. Zwischengenossenschaftlichen Einrichtungen (ZGE). Außerdem kam es zu weiteren Zusammenschlüssen. In diesem Zuge wurde 1975 auch die Gladigauer LPG, welcher auch Schmersau und Orpensdorf angehörten, mit der Pflanzen- bzw. Tierproduktion der Flessauer Genossenschaften bzw. KAP vereint. Orpensdorf wurde einer der Produktionsstandorte der LPG Rinderproduktion „Klement Gottwald“ Flessau und der ZGE Schweineproduktion Ballerstedt. Außerdem war auf dem ehemaligen Gutshof eine Außenstelle des Kreisbetriebs für Landtechnik Osterburg (KfL) untergebracht, welche aus der bereits in den Nachkriegsjahren dort eingerichteten Maschinenausleihstation (MAS) und späteren MTS (Maschinen-Traktoren-Station) hervorgegangen war.
Das ortsbildprägende Gutsareal, welches bis 1945 die gesamte Dorfhälfte nördlich der Straße eingenommen hatte, veränderte sich während dieser Zeit grundlegend. Das imposante Torhaus und eine große Fachwerkscheune verschwanden ebenso wie der Kuhstall und die Brennerei in dem zweistöckigen Wirtschaftsgebäude auf der Westseite des Guts. Im verbliebenen Teil wurden Sozialräume und ein Kohlelager eingerichtet. Zwei weitere Scheunen wurden deutlich verkleinert. An der Stelle des Torhauses entstand eine Buswendeschleife und auf der Freifläche des Hofs eine Maschinenhalle, auf der Nordseite - teils im ehemaligen Gutspark - wurden bereits in den 1960er Jahren drei Kuhställe gebaut. Schließlich fiel um 1980 auch das ehemalige, inzwischen völlig heruntergekommene Gutshaus dem Abriss anheim. Mit dem Abbruchmaterial wurde u. a. der ehemalige Gutsteich verfüllt.
Die politische Wende brachte zunächst wie überall auch für die Orpensdorfer tiefgreifende Einschnitte im Alltagsleben mit sich. Zahlreiche Arbeitsplätze in der näheren und weiteren Umgebung gingen verloren. In der Folge sank die Einwohnerzahl erheblich - dieser Trend ist bis heute nicht gestoppt. Andererseits modernisieren junge Familien die ehemaligen Siedlerhäuser und bleiben ihrem Heimatort treu. Und für die 1945 enteignete Familie Salomon ergab sich die Möglichkeit, das frühere Rittergut schrittweise (1991-2013) zurück zu kaufen. Seit 1992 wird es von der Familie wieder als Landwirtschaftsbetrieb geführt. Daneben gibt es in der Gemarkung zwei weitere Betriebe, welche Schweine- bzw. Putenmast betreiben.
Text: Corrie Leitz (Historikerin)
Diese Ortsbeschreibung wurde mit freundlicher Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt im Rahmen des Tourismusprojektes 2015-2017 erstellt.
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