Etwa einen Kilometer westlich von Dequede liegt inmitten der Feldmark das ehemalige Vorwerk Röthenberg, welches erst nach 1945 zu einer kleinen Siedlung gewachsen ist. Einige große ehemalige Wirtschaftsgebäude erinnern noch heute an den Ursprung der Ansiedlung. Seit Juli 2009 gehört Röthenberg als Teil der ehemaligen Gemeinde Krevese zur Einheitsgemeinde Osterburg. Es ist es zugleich einer ihrer kleinsten Orte.
Nachdem die Familie von Bismarck i. J. 1562 in den Besitz des ehemaligen Klosterguts Krevese gelangt war, wurde dieses in ein Rittergut umgewandelt. Zum Gut gehörten bis 1818 auch die unter ihrer Regie angelegten Vorwerke Röthenberg und Altenhof. Letzteres befand sich nur etwa anderthalb Kilometer südlich von Röthenberg, existiert aber heute nicht mehr. Beide Vorwerke wurden vermutlich im 17. Jhdt. angelegt und zunächst als Schäfereien betrieben. - Als solche fanden sie 1684 schriftliche Erwähnung.
1818 kauften die Bauern von acht dem Rittergut Krevese dienstverpflichteten Dörfern das Gut auf, konnten es jedoch nicht halten. So wurden große Teile noch im selben Jahr weiterverkauft, darunter auch die drei Vorwerke, zu welchen mittlerweile auch der sogen. Geldberg zwischen Rossau und Gladigau gehörte. Röthenberg gelangte in diesem Zuge an den ehemaligen Gutsverwalter Buchholz. Nach mindestens einem weiteren Besitzwechsel - eine typische Erscheinung jener Zeit - wurde es i. J. 1850 durch die Familie von der Schulenburg auf Priemern erworben und offenbar zu deren Gut Bretsch geschlagen, welches bereits über eine bedeutende Schäferei verfügte. Um 1871 gehörte Röthenberg verwaltungstechnisch zur Landgemeinde Krevese, damals lebten und arbeiteten auf dem Vorwerk 32 Menschen, neben mehreren Wirtschaftsgebäuden gab es drei Wohngebäude. Zum Ende des 19. Jhdt. (1895) hatte Röthenberg 19 Bewohner, das Vorwerk gehörte zum Gutsbezirk Bretsch. Als 1913 große Teile des von der Schulenburg-Priemern’schen Besitzes durch den rheinischen Industriellen und Kunstsammler Hans-Georg Oeder erworben wurden, gehörte auch das Gut Bretsch mit dem Vorwerk Röthenberg dazu. Damals umfasste das Vorwerk knapp 200 Hektar, darunter 150 ha Ackerland, 18 ha Grünland und 27 ha Wald. Bei der Viehhaltung dominierte nach wie vor die Schafzucht (150 Tiere), welche jedoch im Rahmen der Umstrukturierung des Oederschen Besitzes zu einem modernen und effizienten Landwirtschaftsbetrieb bald aufgegeben wurde. In den 1930er Jahren existierten etwa elf Wirtschafts- und Wohngebäude auf dem Vorwerk.
Nach der Enteignung der Oederschen Erbengemeinschaft im September 1945 wurden die ehemaligen Rittergüter Priemern und Bretsch nicht wie die meisten anderen Güter im Rahmen der Bodenreform aufgeteilt, sondern in ein Volkseigenes Gut umgewandelt. Zum Vorwerk Röthenberg gehörten damals knapp 148 Hektar. Auch das Vorwerk war zunächst als Betriebsteil des Gutes Bretsch-Priemern von Aufteilung ausgenommen. Als jedoch zum 1. Januar 1948 die Aufsiedlung von einigen Gütern in der Wische aufgrund der dortigen Schwierigkeiten zurückgenommen wurde, erhielten die dortigen Siedler neue Stellen auf vier anderen nunmehr zur Aufsiedlung freigegebenen Gütern. Darunter waren neben den Gütern Bertkow und Krusemark auch die Betriebsteile Drüsedau und Röthenberg des VEG Bretsch. Nun wurde auch Röthenberg mit Neubauernstellen aufgesiedelt.
Die 1950er Jahre standen auf dem Lande im Zeichen der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft. Lange sträubten sich die Siedler auf dem Röthenberg gegen die Kollektivierung ihrer erst vor wenigen Jahren in Besitz genommenen Wirtschaften. Erst im Zuge des sogen. „Sozialistischen Frühlings“ des Jahres 1960 gründeten sie unter erheblichem politischem Druck die Genossenschaft „Einigkeit“. Mit dem Typ I wählten sie das kleinstmögliche „Übel“, denn hierbei wurde nur der Boden gemeinsam bewirtschaftet. Die zweite Hälfte der 1960er Jahre war in der Landwirtschaft durch die Bildung von Kooperationsgemeinschaften gekennzeichnet. In einer solchen KOG war auch die Röthenberger Genossenschaft mit jenen von Dequede, Polkern, Krevese, Zedau und Krumke vereint. Die Kooperationen wurden in den folgenden Jahrzehnten ausgebaut und vertieft, die einzelnen Genossenschaften spezialisierten sich in deren Rahmen auf Tier- oder Pflanzenproduktion.
Die „Wende“ brachte zwar die lang ersehnte Demokratie und Freiheit, im Alltagsleben waren jedoch zunächst erhebliche Umbrüche zu verkraften. Das war auch in einem so kleinen Ort wie Röthenberg nicht anders. Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, aber auch in den Gewerbebetrieben und öffentlichen Einrichtungen der näheren und weiteren Umgebung gingen verloren. Dass viele Röthenberger ihrem Dörfchen weiterhin die Treue halten, liegt vor allem an der ruhigen Lage abseits vom Durchgangsverkehr inmitten der Feldmark.
Text: Corrie Leitz (Historikerin)
Diese Ortsbeschreibung wurde mit freundlicher Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt im Rahmen des Tourismusprojektes 2015-2017 erstellt.
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